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Reisen finanzieren

Oft gefragt: "Wie bezahlst du deine Reisen eigentlich?"


Seit 8 Jahren: Überall und Nirgendwo


Vor mittlerweile über einem halben Jahr habe ich Deutschland verlassen und reise seither. Mit dieser Reise bin ich zwar zum ersten Mal "Vollzeit" am Reisen, das Reisen ist also die Hauptsache meines Alltags, aber meine erste Reise ist das nicht. Im Gegenteil. Ob mit Studium oder Praktika im Ausland, Backpacking, Interrailing oder Roadtrips durch Europa: Seit knapp 8 Jahren bin ich überall und nirgendwo, selten mehr als ein paar Monate am gleichen Ort.





Reisen finanzieren: 5 Tipps


Mir ist bewusst, das ich im Folgenden aus einer sehr privilegierten Perspektive heraus schreibe und schreiben kann. Zum Beispiel habe ich (noch) keine Krankheiten, (noch) keine pflegebedürftigen Familienangehörigen und bekomme eine unglaubliche Unterstützung von meiner Familie, Freund:innen und Bekannten. Außerdem habe ich einen deutschen Pass, keinen Migrationshintergrund, identifiziere mich mit meinem biologischen Geschlecht, etc.


Dass ich keine Verpflichtungen habe, liegt zum Teil auch daran, dass ich mich seit Jahren immer wieder gegen Verpflichtungen entschieden habe. Freiheit zu wählen und gegen Sicherheit einzutauschen ist nicht immer bequem.


Die folgenden fünf Tipps funktionieren also sicher nicht für alle, aber ich möchte jede:n ermutigen, mit dem eigenen Weg kreativ zu werden und nach den eigenen Voraussetzungen, Wünschen und Möglichkeiten zu gestalten.


Hier also 5 Tipps, die euch vielleicht helfen können, eure Reisen zu finanzieren.


1. Finanzpläne


Das A und O waren in meinem Umgang mit Geld immer Finanzpläne. Ganz einfach: Was kommt rein, was geht raus, was kann ich weglegen, was kann ich vielleicht sogar anlegen oder investieren? Dafür verschaffe ich mir in regelmäßigen Abständen einen Überblick und rechne nach allen Ausgaben, die ich in der Regel direkt abzahle, zusammen, was übrig bleibt und was ich weglegen kann.


Einen einfachen Vordruck für eure Reisefinanzen findet ihr hier:






Danach richtet sich dann auch mein Lebensstil, zumindest temporär. Bestelle ich also einen doppelten Cappuchino mit Hafermilch oder lieber einen einfachen Kaffee? Gehe ich zur Yogastunde oder lieber eine halbe Stunde joggen? Wichtig ist mir aber auch immer, vollständigen Verzicht wenn möglich zu vermeiden, das macht offensichtlich keinen Spaß und tut dem Kopf nicht gut. Also entscheide ich meist nicht zwischen Entweder-Oder-Alternativen, sondern setze Prioritäten und achte darauf, mir selbst auch immer wieder etwas zu gönnen.


Wenn ich aber mittelfristig merke, dass mich meine Finanzen zu sehr einschränken oder ich meine Sparziele nicht schnell genug erreiche, dann nutze ich andere Stellschrauben.


2. Arbeiten


Seit ich denken kann, habe ich gearbeitet und wollte immer arbeiten. Mit 14 habe ich Zeitungen ausgetragen, nach meinem Auslandsjahr mit Minijobs in der Gastronomie angefangen und dann während der Schulzeit zum Teil mehrere Nebenjobs parallel gehändelt. Unter anderem von diesem Geld, was ich über Jahre beiseite gelegt habe, konnte ich mir schließlich meinen Van kaufen.


Nach der Schule habe ich mich dann bewusst entschieden, direkt mit dem Studium anzufangen, um danach durch den Abschluss mit einem höheren Gehalt reisen zu können und mich nicht mit den üblichen Aushilfsjobs im Work&Travel durchschlagen zu müssen.


Als ich dann mit meinem Studium (Deutsche Literatur und Sozialwissenschaften) begonnen habe, musste ich mich ziemlich schnell an die running gags über meine Fachschaft gewöhnen, dass wir nämlich in Zukunft vor allem eine berufliche Perspektive hätten: das Taxifahren. Es waren auch Witze dieser Art, die dazu beigetragen haben, dass ich während meines Studiums durch mehrere Existenzkrisen und Break-Downs gegangen bin.


Über meine beruflichen Perspektiven kann ich mich aber momentan nicht beschweren, denn durch Praktika und Berufserfahrungen habe ich es geschafft, nun als digital nomad unterwegs zu sein. Seit 2021 bin ich freiberufliche Lektorin, biete Lektorate und Korrektorate u. a. für Literatur, wissenschaftliche Arbeiten und Websites an und arbeite als Content Writer für verschiedene Kund:innen. Dabei nutze ich LinkedIn als berufliche Plattform.


Auch hier ist es also sinnvoll, nach euren Voraussetzungen mit der Arbeit kreativ zu werden. Habt ihr ein Handwerk gelernt, womit ihr auch im Ausland arbeiten könnt? Könnt ihr euch vorstellen, mit eurem Instrument auf der Straße zu spielen? Oder seid ihr kreativ und künstlerisch begabt? Vielleicht könnt ihr dann Fotografien, Drucke oder ähnliches verkaufen.


3. Sparen


Derzeit reise ich also mit meinen monatlichen Einnahmen, aber auch mit Sparrücklagen. Sparen heißt aber nicht nur, verdientes Geld beiseite zu legen, sondern auch, Ausgaben zu minimieren.


Der größte Teil meiner Ausgaben - und das dürfte wohl bei vielen Menschen so sein - ist in den letzten Jahren immer wieder auf Miete, Fahrzeugkosten etc. entfallen. Dazu können außerdem individuelle Posten wie Versicherungen, regelmäßige Gebühren, Kredite oder ähnliches kommen. Ein Finanzplan kann also auch dabei helfen, die eigenen Ausgaben zu analysieren und, wenn möglich, zu minimieren.


Ich selbst habe mich nicht nur relativ konsequent gegen finanzielle Verpflichtungen entschieden, sondern habe auch immer einen minimalistischen Lebensstil gehabt. Ich habe in der Regel in WGs gelebt und meine Zimmer untervermietet, wenn ich auf Reisen war. Auch meinen Van Fred, als er schon ausgebaut war, habe ich mal an eine Familie vermietet, die mit ihm durch Österreich gedingelt ist.


Für diese Reise habe ich meine Autoversicherung außerdem von Teilkasko auf Haftpflicht reduziert, dafür aber die Premium-Mitgliedschaft von ADAC abgeschlossen und andere Versicherungen an diese Reise angepasst: Auslandskrankenversicherung, Tauch-, Bergsport-, Unfall- und Haftpflichtversicherung, da kommt ein bisschen was zusammen.


Auch auf Reisen muss ich oft sehen, wofür ich mein Geld ausgebe und wo ich sparen kann. Low budget zu reisen, also mit nur wenig Geld auszukommen, kann ziemlich viel Spaß machen, weil man dadurch oft viel mehr mit anderen Menschen in Kontakt kommt. Einige Reisende, die ich kennengelernt habe, sind beispielsweise komplett mit öffentlichen Transportmitteln und Hitchhiking unterwegs, sie fahren also per Anhalter. Als Alleinreisende mache ich das zwar nicht, aber mit Freund:innen bin ich auch schon per Anhalter gefahren und habe viele tolle Erfahrungen gemacht.


Für Übernachtungen sind Hostels zwar meistens eine günstige Option, es lohnt sich allerdings auch, immer mal einen Blick bei Couchsurfing reinzuwerfen. Dort bieten Menschen in vielen Städten weltweit ihr Sofa oder ähnliches kostenlos für Übernachtungen an. Außerdem gibt es eine Hangout-Option, über die man sich mit anderen Reisenden für Unternehmungen vernetzen und treffen kann. Bei Couchsurfing empfehle ich aus Sicherheitsgründen, die Profile und Reviews anderer Nutzer:innen genauer anzusehen.


4. Freiwilligenarbeit


Gegen Kost und Logis arbeiten ist wohl eine der besten Möglichkeiten, um kostengünstig zu reisen sowie Land und Leute kennenzulernen. Einige meiner schönsten Erinnerungen in diesem Jahr verdanke ich Volunteering-Begegnungen meiner Reise, beispielsweise vom Juni in Rumänien.


Dabei gibt es verschiedene Portale für weltweiten Austausch und echt ziemlich abgefahrene Möglichkeiten: Segelboote restaurieren und sogar Mitsegeln, in Ziegenställen oder in Hostels arbeiten sowie Kindern eine Sprache beibringen zum Beispiel. Bei Freiwilligenarbeit ist für jeden etwas dabei und es bietet eine tolle Möglichkeit, den Horizont zu erweitern und neue Fähigkeiten zu lernen. Ich selbst nutze Workaway, es gibt aber auch andere Plattformen, wie wwoof (World Wide Opportunities on Organic Farms) und HelpX.


In diesem Jahr habe ich über Workaway mit über 100 Straßenhunden und 50 Pferden gearbeitet, Ziegen ausgekämmt und Zäune gebaut, für knapp 20 Leute gekocht sowie einen Boden aus Holzplanken mitverlegt und dabei den Umgang mit verschiedenen Werkzeugen gelernt. Außerdem habe ich tolle, faszinierende Menschen auf ihren Reisen getroffen.


5. Support


5.1. Familie


Wie bereits erwähnt, habe ich glücklicherweise einen sehr starken Rückhalt von Familie, Freund:innen und Bekannten, nicht nur mental sondern auch finanziell. Zu meinem Geburtstag in diesem Jahr habe ich zum Beispiel von meiner Mama eine Notfall-Sparrücklage geschenkt bekommen, sodass ich immer und zu jeder Zeit nach Hause fliegen könnte, und auch meine Oma bezuschusst mich monatlich.


5.2. Staatliche Mittel und Stipendien


Zudem, das möchte ich an dieser Stelle nicht vorenthalten, habe ich zahlreiche Förderungen für mein Studium bekommen, neben BAföG auch Stipendien von Erasmus sowie vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD).


Studierenden mit Fernweh möchte ich diese Finanzierungsmöglichkeiten ans Herz legen. Während Erasmus Studiensemester und Erasmus+ Praktika im europäischen Ausland fördert, gibt es beim DAAD eine Vielzahl von Finanzierungstöpfen für alle möglichen Programme und Vorhaben. Zudem gibt es Institutionen mit Fördermöglichkeiten, wie das Goethe-Institut, das im Rahmen des Programms "schulwärts" Praktika für Lehramtsstudierende im Ausland finanziert.


Aber auch außerhalb des universitären Kontexts gibt es geförderte Programme wie den "European Solidarity Corps" oder "weltwärts" für weltweite Freiwilligendienste. Während diese Programme vor allem für jüngere Menschen gedacht sind, kann das Reisen im Rahmen eines sogenannten Sabbaticals auch für Menschen, die bereits im Berufsleben verankert sind, möglich sein. Ich hatte das Glück, in den letzten Monaten einige inspirierende Menschen kennengelernt zu haben, die in ihren 50ern sind und nun voller Neugierde und mit offenem Geist die Welt bereisen.


Erfahrungsgemäß gibt es also für fast jedes Vorhaben eine Möglichkeit, oft sogar einen Fördertopf oder ein Austauschprogramm. Sollte das aber nicht so sein, gibt es noch eine weitere Möglichkeit: Ihr richtet einfach einen eigenen Fördertopf ein!


5.3. Crowdfunding


Wie man so schön sagt: "Kleinvieh macht auch Mist". Das ist die Idee von Crowdfunding: Viele kleine Beiträge können nämlich ziemlich viel bewegen. Über Online-Plattformen wie z. B. GoFundMe können Projekte angelegt werden, für die gespendet werden kann.


Über GoFundMe könnt ihr jetzt übrigens auch mich bewegen, mit jedem Euro 10 Kilometer weiter. Um von Tbilisi bis nach Ulaanbataar in die Mongolei zu reisen, habe ich ein Funding-Projekt angelegt, bei dem ich Spritgeld für die nächsten 15.000 Kilometer sammle. Hier geht es zur Aktion, ich freue mich sehr über jeden Beitrag!


Tipp Nr. 6


Abschließend habe ich noch einen Tipp, der vielleicht der wichtigste ist, noch vor Finanzplänen, Arbeit, Sparen, Freiwilligenarbeit und Unterstützung von anderen: Mut haben. Jeder Reise geht eine Entscheidung voraus und alles andere ergibt sich, notfalls unterwegs.


"Ich will mit dem Van in die Mongolei fahren." Als ich diesen Satz zum ersten Mal vor anderen Menschen laut gesagt habe, hätte ich mich eigentlich innerlich am liebsten versteckt, weil diese Reise für mich so groß klang (und noch immer klingt). Aber meine Stimme ist mit jedem Mal sicherer, meine Haltung mit jedem Mal aufrechter geworden und jetzt bin ich hier, fast auf halber Strecke.



Wenn euch dieser Post gefallen habt, ihr Kritik, Fragen oder Anregungen habt, dann schreibt mir gern. Ansonsten freue ich mich sehr, wenn ihr diesen Beitrag mit anderen Fernwehkandidaten teilt.


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